Ueber die Pfuscher-Sprache des Pseudo-Esperanto
[um 1895]
Sämtliche Nachäffungen
des Volapük sind, wie dessen Vorläufer,
so ziemlich alle wieder von der Bildfläche der öffentlichen Beachtung und Anwendung verschwunden. — Nur
das 'Esperanto' des Herrn S. i.
W.* spukt und vegetirt noch hie und da etwas in unklaren, befangenen Köpfen. Und doch ist nun auch dessen
Organ, das Blatt 'Lingvo internacia'
in Upsala (Schweden) bereits eingegangen und ad acta gelegt. — Es langweilt uns daher unendlich, noch etliche Worte über das 'Esperanto'-Kauderwelsch zu verlieren. Doch wollen wir es hiemit nocheinmal (hoffentlich zum letztenmale) tun, weil
uns einige allzu ängstliche Vpns. dazu aufforderten. —
* Samenhof in Warschau
Vergleichen wir in 30 Punkten das Volapük mit 'Esperanto': so ergibt sich
jedem Unparteiischen und Vorurteilsfreien folgendes als Resultat dieser Vergleichung:
- Vp. setzt keine Kenntnis anderer Sprachen voraus, als nur die grammatikalische Kenntnis seiner Muttersprache. — Esp. aber setzt die Kenntnis von wenigstens 2 bis 3 romanischen... Sprachen neben der Muttersprache voraus, und ist eigentlich nichts anderes, als ein
Sammelsurium, Mischmasch und Kauderwelsch
aus 2 - 3 entstellten romanischen... Natursprachen.
- Vp. ist bedeutend kürzer als Esp. Denn, wo das Vp. nur 4 Zeilen braucht,
benötigt Pseudo-Esperanto's Pfuschersprache 6 - 7 Zeilen, und in einem von den Esperantisten selber ausgewählten
und abgedruckten Probesatze enthält die Pseudo-Esperanto-Sprache 24 Wörter; dagegen Volapük nur
17: Volapük also in einem einzigen Satze 7 Wörter weniger, was doch gewiss fürs Telegrafiren, Postkartenschreiben, Drucken
und Stenografiren viel heißen
will. Sonach ist Esp. eine reine Schwätzersprache, wie manche moderne, und ist also im Telegrafiren... die
reinste Verschwendung.
- Das Spitzwinkelzeichen über den 5 Buchstaben c, g, h, j, s ist sehr hässlich, genirend, und slavisch
im Esp.: ebenso das Kürzezeichen über dem u (z.B. in aud...). — Vp. hat nichts dergleichen nötig, und gebraucht Aehnliches nur, um Natursprachewortlaute zu erklären, nicht aber
im wirklichen Vp.
- Die vielen Wort'teilungsstriche auf den Esp.-Wörtern, z.B. im Worte libr'óten'antó... sind sehr unschön
und störend.
- Die Lesung
aller Wörter ist im Vp. sehr sicher und bestimmt. — Im Esp. aber weiß man nicht, ob man z.B. lingv lesen soll: ling'v oder lin'gv,
oder lin'gve...
- Der Laut ch
hat in einer Allsprache keine Berechtigung,
da er seltener in Natursprachen vorkommt, und für manche schwer auszusprechen ist, z.B. für Franzosen... Darum ließ ihn Vp. fallen. — Esp. aber
hat ihn, und zwar als h mit einem Spitzwinkelzeichen oder Dächlein
über sich.
- Ebenso überflüssig sind des Esp. Buchstaben und Laute sh und tsch.
— Dafür hat Vp. einfach nur j
und c.
- Desgleichen ist jeder Ablativ in einer Allsprache zu tadeln. — Esp. aber spricht davon.
- Vp. duldet nur 2 Konsonanten nebeneinander. — Esp. hat 3-6 solche unmittelbar nacheinander, z.B. kompreneble, sanktan,
kontrau, obstinaj, ekstrem,
fingrn, membrjn, schtrumpjn,
orandschjn... Soviele Konsonanten
aber unmittelbar nacheinander können eine Sprache nur hässlich und schwer
aussprechbar machen.
- Vp. duldet keine gleichen Konsonanten oder Vokale nebeneinander. — Esp. hat solche, z.B. grenn, dissaltos,
mallonga...
- Diphthonge sind in einer Allsprache
überflüssig, und werden
allzu verschiedentlich ausgesprochen. Vp. hat sie darum verschmäht. — Esp. besitzt solche, z.B. adiau, aud, auskult, nau... (hässlich!).
- Eine Sprache aber ohne alle Umlaute
tönt einförmig, hart und langweilig mit ihren ewigen dumpfen u und o, oder
dem breiten a und spitzen i... Eine Sprache mit Umlauten ist mannigfaltiger,
wohltönender, klangreicher,
tonfarbenprächtiger, und ermöglicht einen viel größeren Wortreichtum und hat kürzere
Wörter, sowie sich ähnliche transitive
und intransitive Verba... Vp. hat
darum Umlaute; — Esp. keine.
- Vp. legt den Ton,
den Akzent immer auf die letzte Silbe, und verhütet so die Abschleifung und das allmähliche Verlorengehen
seiner wichtigen Endsilben. — Esp. kann dies nicht verhüten; denn es verlegte den Ton auf die vorletzte Silbe.
- Vp. hat nur einen
bestimmten Artikel, und dieser ist
nur selten nötig (el). — Esp.
hat deren 2, nämlich la und
l'.
- Vp. hat auch einen unbestimmten Artikel, der zwar nicht immer, aber doch zuweilen nötig ist. — Esp. hat keinen
solchen.
- Vp. hat nur wirkliche Kasus zum Dekliniren, keine Vorwörter, die (zweideutig) als Kasus dienen müssen. — Esp. zieht, um den Wessen- und Wemfall
darzustellen, die Vorwörter de
und al herbei, was Wortverschwendung ist.
- Vp. besitzt nur eine
Form für je einen Beugfall.
— Esp. hat für den Wessenfall
de und da.
- Das Wort ili
als Mehrzahl von li ist im Esp. ganz inkonsequent, weil sonst die Mehrzahl im Esp. der Buchstabe j ist. Wie
dieses j aber auszusprechen sei, weiß man nicht. — Solche Inkonsequenz findet man im Vp. nicht.
- Vp. hat nur eine
Endung für Weibliches (of ); — Esp. aber überflüssigerweise zwei,
nämlich in und nj. Wie man aber nj liest, wird nicht gesagt, ebensowenig, wie dieses: ob man die Endung -ing lese, wie das deutsche -ing
im Worte Ding, oder wie in'g. — Der schwierige und seltenere Laut ng aber gehört in keine Allsprache, ebensowenig wie die Nasal'laute im Französischen (mon, on...). Sagen doch selbst manche Deutsche lieber Bemerkunk,
als Bemerkung. —
- Vp. braucht keine 2 Wörter zur Steigerung der Eigenschaftswörter. — Esp. sagt: pli blanka und plei blanka
für viedikum, viedikün
weißer, am weißesten).
- Die Wörter schi
(sie) und oni entnahm Esp. vom Vp.,
resp. vom Englischen und Französischen; ebenso entlieht Esp. die Endung an vom Volapük.
- Infinitiv und Plural sind im Vp. grundverschieden,
und niemals verwechselbar (-ön und -s). — Im Esp. können sie leicht verwechselt werden (in Schrift und Ohr); denn sie lauten
sehr ungeschickt: i und j.
- Der Konjunktiv
und der Konditionalis gelten dem
Esp. als einerlei Modus; denn für
beides soll die Endung -us gelten.
— Im Vp. sind beide durch die 2 verschiedenen Endungen -la und -öv
streng geschieden.
- Die vielen Einschiebungen von Suffixen mitten
in die Wörter machen im Esp. die betreffenden Wörter sehr schwer verständlich und unklar, oder leicht
verwechselbar... z.B. babilado,
faronta, kredinda, triobla...
Vp. dagegen hat nur Präfixa
und Suffixa mit bestimmter Bedeutung,
ohne Einschiebungen in die Mitte
einfacher Wörter. —
- Die Endung -um
wird im Esp. erklärt als ein "Suffix von verschiedener Bedeutung". Was aber eigentlich damit bezweckt werden soll, wird nicht angegeben. — Solcher Unklarheiten würde sich Vp. wirklich schämen. — —
- Esp. verlangt, von einem Worte, das aus 3 Wörtern besteht, solle jedes einzeln im Wörterbuche aufgesucht werden. Welch eine Umständlichkeit und Zeitrauberei!! So etwas kommt im Vp. nicht
vor.
- Vp. hat lauter klarbestimmte Vorwörter ohne 2 - 6 Bedeutungen. Esperanto's unbestimmtes Vorwort je ist durchaus unklar und unbrauchbar. — Man sieht, dass Herr S. i. W. bedeutend weniger
Sprachstudien gemacht hat, als der
Ersinner des Volapük. —
- Rein lateinische... Wörter einfach in eine Pfuschersprache nur so herüberzunehmen, wie homo, sed, u.
dergl., das kann jeder Sprachen-Pfuscher, der sich die Sache leicht machen und etwa nur Geld verdienen will, und das haben vor S. schon viele
andere Vp.nachäffer unternommen, jedoch auch erfolglos.
- Die Wörter des Vp. sind alle gut und leicht aus'sprechbar, da das rasselnde, harte, knöcherne r... darin sehr vermieden ist, schon der asiatischen... Völker wegen. — Im Esp. aber
kommen sehr viele harte, schwer
auszusprechende Wörter vor, z.B. mit tschj
und dergleichen harten Lautverbindungen, nämlich ajljn, akv', ankrjn, bestn, borsn, brantschn, doltschn, ekscit,
estr, kajln, haladzn, kadrn, kankrn, kaprn, kavernjn, kovertjn, membrjn, Mitschjn, ojstrjn, onkljn, orandschjn,
ostrjn, palpebrjn, perdrikjn, pingljn, plastrjn, popljn, poschtjn, pugnjn, pulmjn, punktjn, rangjn, ringjn, salajrjn,
sciencjn, semajnj, sojljn, spongjn, sturnjn, schinkjn, schtrumpjn, schultrjn, tigrjn, ulnjn, ungjn, vaksjn, ventrin,
vintrjn... Man sieht: Esp. stammt aus Polen; das Vp. dagegen ersann ein Musikkenner, Tonsetzer und Dichter. —
- Aus allen Vergleichungen des Vp. mit seinen Nachäffern und Vorläufern geht nun klar dieses hervor: Am Vp. hat ein guter Genius, der zu großen und tiefen Sprachstudien antrieb, sich geoffenbart und bestätigt:
an den Sistemen seiner Äffer aber die bloße Willkür, Laune und das banausische, niedrige Streben, sich einen Namen oder Geld... zu verschaffen. — Darum schossen diese
Nachäffereien wie Pilze übernacht
aus dem Boden dumpfer Gehirne, und — verschwanden rasch wieder.
Schlussfolgerung. Wer demnach eine kostspielige,
zeitraubende, unbrauchbare und unschön
klingende Sammelsurium-, Mischmasch-
und Schwätzer-Sprache liebt:
der lerne die prahlerisch ausposaunte Reklamesprache des Pseudoesp. oder andere Nachäffersprachen des Vp.!
— Wer dagegen eine wirklich rasch erlernbare, Zeit,
Raum, Mühe und Geld ersparende,
kräftig und voll klingende
und ohne Reklame eingeführte wirkliche Welt-
oder Allsprache, eine weitverbreitete,
einfache, kurze und praktische Denkersprache
will: der lernt freudigst Volapük
und bleibt bei Volapük, das
von Tag zu Tag auf der ganzen Erde immer größere Verbreitung findet und nahezu 1800
diplomirte Lehrer und Lehrerinen besitzt.